Funktionale Konvergenz in webbasierten IP Management Systemen
Dr. Raphael Jung
Die professionelle IT Unterstützung im modernen Patent- und Markenabteilungen unterliegt – wie viele andere Bereiche auch – den Entwicklungen der allgemeinen IT Trends. Historisch wurden IT Systeme stets mit mehr Funktionalität innerhalb eines Programms ausgestattet. Durch den Trend zum mobilen Arbeiten wurde eine neue Entwicklung ins Leben gerufen, welche die Funktionalität eines großen Programms in einzelne, nun als Apps bezeichnete, Funktionalitäten aufspaltete. Das vorliegende Whitepaper möchte diese Entwicklung nachzeichnen und Lösungswege für die Zukunft für ein noch besseres IT-unterstütztes Arbeiten im Bereich der gewerblichen Schutzrechte und des geistigen Eigentums ermöglichen.
IP Management Systementwicklung/Trend
IP Management Softwaresysteme finden täglich Anwendung in Kanzleien und IP-Abteilungen von Unternehmen. Sie dienen zur Verwaltung von gewerblichen Schutzrechten, damit verknüpften Vorgängen, wie Verträgen oder Erfindungen, und vereinfachen den täglichen Arbeitsprozess.
Anfangs wurden viele parallel genutzte, alleinstehende Systeme verwendet, darunter zum Beispiel:
• IP-Datenbanksysteme
• Datenimportsysteme
• Dokumentenmanagement-Systeme (DMS)
• E-Mail-/Kalendersysteme
• Jahresbeitragsgebührensysteme
• Patentrecherchesysteme
• Patentüberwachungssysteme
Aufgrund der Schwächen in der Interoperabilität, sowie der eingeschränkten Funktionalität kamen zunehmend monolithische Systeme in Mode, das heißt es wurde versucht alle Funktionalitäten der verschiedenen Systeme in ein System zu bringen. Trotz der Vorteile, die solche Systeme mit sich brachten, weckte ihre Komplexität und der damit verbundene Bedarf an IT-Ressourcen bald das Bedürfnis nach flexibleren, modularen Lösungen. So wurden einzelne Systeme in Subsysteme ausgelagert.
Bedürfnisse von Kanzleien und Unternehmen
Aus der Sicht der Anwender zeigte sich recht bald, dass die Bedürfnisse von Patentanwaltskanzleien auf der einen Seite und Patentabteilungen in der freien Wirtschaft auf der anderen Seite im Detail doch recht unterschiedlich sind. Je nachdem ob es sich um eine Kanzlei oder eine IP-Abteilung eines Unternehmens handelt, variieren die Anforderungen des Benutzers. So benötigen beispielsweise Kanzleien exzellente Automatisierungsmöglichkeiten, sowie flexible Zeiterfassungs-möglichkeiten. Weitere Anforderungen sind neben guten Office-Produkten und einer guten Groupware-Integration, einwandfreie Schnittstellen zum Patent- und Markenamt. Es sollte die Option für mehrere Datenbanken und/oder Standorte bestehen. Die Stabilität einer IP Management Software muss gewährleistet sein und zu jeder Zeit erreichbar sein.
Für die Industrie stehen vor allem die Benutzerfreundlichkeit, Berichtsfunktionen, Kostenübersicht sowie Erfindervergütung im Vordergrund. Auch muss die Datenbank-Konnektivität und der Datenimport zur Erleichterung der Datensatzpflege gesichert sein. Mehrere Sicherheitsebenen, unter anderem eine Zwei-Faktor-Authentifizierung, müssen vorhanden sein und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingehalten werden.
Ein großer Vorteil der Teilsysteme besteht aus der flexiblen Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden. Dabei können die Systeme sowohl als Client/Server- oder auch als Web-Produkt/webbasiertes Informationssystem verwendet werden.
Vor- und Nachteile von webbasierten Systemen
Es ist offenkundig, dass der Trend aufgrund vieler Vorteile hin zu webbasierten Systemen geht obwohl diese im Detail auch einzelne Nachteile haben. Bei einem webbasierten System ist keine aufwendige (Client-)Installation erforderlich und zusätzlicher lokaler Speicherplatzbedarf fällt nicht an. Das System ist somit zentralisiert und die IT-Pflege einfach handzuhaben. Die einfach gehaltenen Benutzeroberflächen haben nicht immer alle Funktionen, ermöglichen dafür aber in der Regel einen mobilen Zugriff auf Daten über verschiedene Endgeräte. Sicherheitsschichten wie z.B. SSL-Verschlüsselungen liegen standardmäßig vor. Darüber hinaus erfolgen Updates automatisch im Hintergrund.
Allerdings betreffen bei der Nutzung eines webbasierten Systems, abhängig von der Funktionalität des Webservers, technische Probleme alle Benutzer. Standard-
Internettechnologien sind potentiell Angriffen, welche große Schäden verursachen können, ausgesetzt. Zudem können Websicherheits-Lösungen die webbasierte Systemfunktionalität und zugleich auch die Automatisierungsfunktionalität beeinträchtigen. Mit zunehmender Größe der Teilsysteme steigen die verschiedenen Funktionen und dadurch auch die Komplexität. Zudem kann sich die Implementation spezifischer Anforderungen des Benutzers als schwierig erweisen oder gar unmöglich sein.
Anforderungen an das ideale System
Trotz einiger Schwierigkeiten wie der Zuverlässigkeit, Datenschutz und Sicherheit steigt die Beliebtheit von webbasierten Systemen. Zielgruppenübergreifend sollten kundenorientierte Systeme folgende Eigenschaften aufweisen. Die Systeme sollten unter anderem robust, sicher, flexibel, automatisierbar und automatisch aktualisierbar sein. Darüber hinaus stehen eine einfache Benutzeroberfläche, eine perfekte Office-Integration, möglichst viele standardisierte Schnittstellen und nicht zuletzt niedrige Kosten auf der Wunschliste für ein ideales System.
Zusammenfassend können die IT Trends wie folgt beschrieben werden:
• Webbasierte Intranetsysteme (keine aufwendigen Client-Installationen)
• Integration von Active Directory-Diensten/Single-Sign-On
• Datentrennung / Verschlüsselung
• Einhaltung der DSGVO
• Standard-Datenbankumgebungen
• Zwei-Faktor-Authentifizierung
Ausblick – Mögliche künftige Lösungen
Die größte Herausforderung verbirgt sich nun in der Tatsache, dass kein Hersteller auf jedem einzelnen Funktionalitätsgebiet gleich gut ist. Das hat zur Folge, dass ein Wechsel in der Kooperationskultur der Hersteller – weg von proprietären Ansätzen und hin zu kooperativen Ansätzen – vollzogen werden muss, um eine Interoperabilität der verschiedenen System-Funktionalitäten zuverlässig sicherzustellen. Aus Sicht des Anwenders kann damit auf die besten Funktionen der jeweils besten Anbieter in einem IT-Ökosystem zurückgegriffen werden.
Zusammenfassung: Lösungsansatz für die Zukunft
• Funktionale Integration von Lösungen verschiedener Anbieter
• Vorbereitung jedes Produkts als „Master“ der Infrastruktur, z.B. durch Speicherung von Zugangsdaten anderer Produkte in seiner Datenbank und SSO
• Standard-API/Schnittstellentechnologien
• Verwendung von Standard-(XML-)Austauschformaten, um den Datenaustausch per API zu ermöglichen
• Verwendung von „Fail Save“-Ansätzen
Ein beispielhaftes Produkt für einen solchen kollaborativen Ansatz ist das System Patricia® 6.0 (aka „Next“) des schwedischen Herstellers Patrix AB. Dieses bietet über ein API einen vollständigen Zugriff auf alle Funktionen und die gesamte Business-Logik sowie die Integration von Dritt-Systemen über standardisierte Schnittstellen als da wären:
• Erweitertes Dokumentenmanagement-System (EDMS) (von Pace IP)
• Patselect® Professionelle Patentrecherche & Überwachung (von Serviva)
• Webbasierte Schnittstelle zu Zahlungsdiensten z.B. Professionelle IP-Dienste (PIPS von Patrix), PavisConnect (von Pavis)
• Weitere webbasierte Schnittstellen z.B. Buchhaltungssystemen
„Das beste System der Zukunft ist nicht ein System, sondern das Zusammenspiel der besten Funktionen der besten Systeme!“